Z. Romek: Cenzura a nauka historyczna w Polsce 1944–1970

Titel
Cenzura a nauka historyczna w Polsce 1944–1970 [Zensur und Geschichtswissenschaft in Polen 1944-1970].


Autor(en)
Romek, Zbigniew
Anzahl Seiten
358 S.
Preis
47.25 zł
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Maciej Górny, Instytut Historii im. Tadeusza Manteuffla Polskiej Akademii Nauk, Warszawa / Imre Kertész Kolleg Jena

Das Buch des erfahrenen Historiographieforschers Zbigniew Romek fasst ein Jahrzehnt seiner Forschungen über das Phänomen der Zensur in Volkspolen zusammen.1 In drei Kapiteln beschreibt er Strukturen und Auswirkungen der Zensur auf die historische Literatur, beispielhafte Auseinandersetzungen zwischen Autoren und Beamten inklusive verschiedener Formen intellektueller Unterdrückung und behandelt so die ersten zweieinhalb Dekaden volkspolnischer Historiographiegeschichte. Polnische und englischsprachige Zusammenfassungen sowie ein Abkürzungsverzeichnis und ein Personenregister schließen den Band ab.

Die von Romek benutzten Quellen beschränken sich nicht auf polnische Wissenschaftsinstitutionen, sondern beinhalten auch Archivalien der polnischen Geheimpolizei sowie Materialien sowjetischer Provenienz. Die Dokumente und publizierten Quellen konfrontiert er mit Aussagen einiger Dutzend polnischer Historiker/innen, die er Ende der 1990er-Jahre zu ihren Erfahrungen mit der Zensur befragt hatte.2 Auf diese Grundlage stützt er sich beim Skizzieren eines lebhaften Bildes der ‚sanften Macht‘, der Zusammenarbeit der Historiker mit dieser und ihres Widerstands gegen sie.

Im ersten Kapitel rekonstruiert Romek die Anfänge der kommunistischen Zensur nach 1945, die im Zeichen der „liberalen Kulturpolitik“ Jerzy Borejszas standen. Schon 1945 musste infolge eines Kontrollbesuches sowjetischer Spezialisten die bis dahin gepflegte „demokratische“ Einstellung einem strengeren Regime weichen. Gleichzeitig schuf man institutionelle Grundlagen, die sich in den folgenden Jahrzehnten nur wenig veränderten. Im Zusammenhang damit analysiert Romek Methoden und Taktik der Interventionen. Eine Schlüsselrolle kam dabei den Zensoren zu, ihren Erfahrungen und ihren Intuitionen. Es ging nämlich verhältnismäßig selten um klare Verbote, häufiger mussten die Beamten zwischen den Zeilen lesen können und ein Gespür für Ironie entwickeln, eine Gabe, über die nicht alle mit einer solchen Aufgabe betrauten Personen verfügten. Deswegen blieben auch die Versuche, „Vertreter der Arbeiterklasse“ als Zensoren zu beschäftigen nur eine Ausnahmeerscheinung in der Hochphase des Stalinismus. Bei Schulungen und Evaluierungen der Zensorenarbeit wurde ‚mangelnde Wachsamkeit‘ genauso scharf kritisiert, wie übereifriges Eingreifen. Romek betont, dass die Zensur ihre Tätigkeit auch als eine Art Erziehung auffasste und verweist auf die meistens ziemlich intelligente Taktik im Umgang mit den Autoren. Änderungen im Text wurden in einem Prozess erarbeitet, in dem der Zensor und die Autoren die Rolle von Verhandlungspartnern spielten. Dass diese Vorgehensweise auch in den späteren Erinnerungen einiger polnischer Historiker nicht als Diktat empfunden wurde, war eine der größten Errungenschaften der Zensur.

Am Rande dieser Problematik behandelt Romek die internationalen Kontakte der polnischen Historiker. Ab 1956 entwickelte sich eine rege Zusammenarbeit besonders mit dem ‚kapitalistischen Westen‘, was von den Parteistellen mit Sorge verfolgt und von den sowjetischen Beobachtern als eine Bedrohung aufgefasst wurde. Die beiden Akteursgruppen reagierten aber sehr unterschiedlich. Die Kulturbeauftragten der polnischen Partei versuchten vergeblich, die Proportionen in der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit zugunsten des Ostblocks zu ändern, indem sie für die Belebung des wissenschaftlichen Verkehrs im sozialistischen Lager plädierten. Die sowjetischen Genossen beharrten auf der Forderung, die polnische Reiselust Richtung Westen zu beschränken. Den Prinzipien der sozialistischen Zusammenarbeit zum Trotz waren die wissenschaftlichen Kontakte mit der UdSSR besonders schwierig zu beleben, obwohl sich mehrere polnische Historiker dafür interessierten. Der Zugang zu den sowjetischen Archiven war auch für sie sehr beschränkt und die Kontakte mit sowjetischen Kollegen immer unter strenger Beobachtung, denn – wie Romek belegt – „die Polen“ blieben politisch verdächtig, auch nachdem das „Tauwetter“ schon vorbei war.

Das zweite Kapitel besteht aus zwei Themenkomplexen. Einerseits beschreibt Romek die Praxis wissenschaftlicher Selbstzensur unter der Aufsicht des Instituts für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften in den ersten Jahren seines Bestehens (1953-1956). An diesem Beispiel ist die Zweideutigkeit des Systems besonders deutlich spürbar: die sich gegenseitig zensierenden Historiker waren eigentlich froh, ihren Einfluss auf die Publikationskontrolle ausüben zu können. Mit Freiheit der Forschung hatte das zwar wenig zu tun, aber der langjährige Direktor des Instituts, Tadeusz Manteuffel (1902-1970), hatte Recht, wenn er bemerkte, dass diese Art der Zensur für die Historiker viel günstiger gewesen sei, als die staatliche.

Drei Viertel des zweiten Kapitels (circa 100 Seiten) widmet Romek der Analyse marxistischer Narrative. Dabei konzentriert er sich auf drei Veranstaltungen: den Historikerkongress in Breslau 1948, den Ersten Kongress der Polnischen Wissenschaft in Warschau 1951 und die Erste Methodologische Konferenz der Historiker Polens 1951-1952 in Otwock. Dieser Teil des Buches beschränkt sich auf die Wiederholung von Interpretationen, die in der polnischen Forschung schon seit den 1990er-Jahren funktionieren.3 Das ist an sich kein Problem, wären diese Interpretationen für das eigentliche Thema des Buches von Wichtigkeit. Leider aber liefert Romek gerade dafür keine Beweise. Seine allgemeine These, die Konferenzreden hätten den Charakter von Anweisungen für die Zensoren der historischen Literatur gehabt, belegt er mit Argumenten nicht. Man könnte auch fragen, warum gerade nur die Konferenzen und nicht die publizierten Bücher oder die programmatischen Artikel der führenden historischen Zeitschriften als die Quellen des ‚Kanons‘ interpretiert werden. Für die marxistische Meistererzählung waren die Letzteren zweifelsohne nicht weniger wichtig. Es scheint, als würde es Romek schwer fallen, seine früheren Forschungen über eben diese Konferenzen im neuen Buch wegzulassen.4 Dies ist meiner Meinung nach ein Fehler. Führen doch die wiederholten Beschreibungen und Überlegungen weit vom eigentlichen Thema weg, gehen auf Kosten der Klarheit und Kompaktheit der Arbeit, ohne neue Impulse zu geben.

Im dritten Kapitel geht Romek auf drei Themen ein, die die besondere Aufmerksamkeit der Zensur herausforderten: die Zwischenkriegszeit, der nichtkommunistische Widerstand im Zweiten Weltkrieg und die Geschichte nach 1945. Mit viel Fingerspitzengefühl zeigt er den Mechanismus der Verhandlungen zwischen Autoren und Zensoren sowie jene politischen Veränderungen, die dazu führten, dass beispielsweise ein zunehmend positives Urteil über die Polnische Sozialistische Partei (PPS) zugelassen wurde.

Das Buch von Zbigniew Romek mag vielleicht nicht alle Hoffnungen erfüllen, die man an die erste polnische Monographie über die wissenschaftliche Zensur knüpft. Im Unterschied zu den entsprechenden deutschen Forschungen von Siegfried Lokatis gibt es hier weniger Einsicht in das Politische und das Zwischenmenschliche, das besonders auf dem Feld der Parteigeschichte auch in Polen zu erwarten wäre.5 Der von Romek konstruierte „Otwocker Kanon“ (abgeleitet von der Konferenz in Otwock 1951/1952) als einziger Quelle der marxistischen Meistererzählung überzeugt wenig, genauso wie die Gleichsetzung dieses Kanons mit einer Anleitung für die Zensur. Der Endpunkt der Arbeit (1970) scheint auch nur in geringem Maße eine realgeschichtliche Begründung zu haben. Andererseits ist Romek sehr überzeugend in der Analyse dessen, was für sein Thema am wichtigsten ist: des ‚Mechanismus‘ von Zensur. Zugleich verliert er nie die Tatsache aus den Augen, dass die ‚Erfolge‘ der Historiker letztlich hauptsächlich darin bestanden, sich selbst zensieren zu dürfen und nicht einer unprofessionellen, politischen Kontrolle untergeordnet zu sein. Wie bitter das auch war: die Zensur wollte es nicht anders.

Anmerkungen:
1 Zbigniew Romek (Hrsg.), Cenzura w PRL. Relacje historyków [Zensur in der VRP. Berichte der Historiker], Warszawa 2000; ders., Cenzura kreatywna w PRL a środowisko historyków [Kreative Zensur in der VRP und das historische Milieu], in: Przegląd Historyczny (2006), 1, S. 23-37.
2 Romek (Hrsg.), Cenzura w PRL.
3 Rafał Stobiecki, Historia pod nadzorem. Spory o nowy model historii w Polsce (II połowa lat czterdziestych – początek lat pięćdziesiątych [Geschichte unter Aufsicht. Auseinandersetzungen um ein neues Geschichtsmodell in Polen (2. Hälfte der vierziger - Anfang der fünfziger Jahre], Łódź 1993.
4 Zbigniew Romek, Historycy radzieccy o historykach polskich. Uwagi o zjeździe wrocławskim (1948) i konferencji otwockiej (1951/52)[Sowjetische Historiker über polnische Historiker. Erwägungen über den Breslauer Historikertag (1948) und die Konferenz in Otwock (1951/52)], in: Polska 1944/45-1989. Studia i materiały, Bd. 4, Warszawa 1999, S. 177-203.
5 Siegfried Lokatis, Der rote Faden. Kommunistische Parteigeschichte und Zensur unter Walter Ulbricht, Köln 2003.

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